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Moritz Gysi

Index 9: Ein Handy für die Ewigkeit

Im Index Nr. 5 Nachhaltigkeit heisst Entwurf, nicht Gestalt thematisierte ich die Reparierbarkeit von Gebrauchsgegenständen. Nun möchte ich mir in dieser Ausgabe ein Unternehmen, welches dieses Konzept umzusetzen vorgibt, einmal genauer unter die Lupe nehmen. Vergnügliche Lektüre!


Das Fairphone unterscheidet sich von konventionellen Smartphones in zwei wesentlichen Punkten: Die Bestandteile werden unter möglichst fairen Arbeitsbedingungen hergestellt und die Gestaltung ist auf Reparierbarkeit ausgelegt. Auf der Website des Unternehmens erfährt man folgendes über dessen Vision:


«Es ist kein Geheimnis: Wir wollen die Welt verändern. Fairphone stellt Mensch und Umwelt an erste Stelle. Wir engagieren uns für Menschenrechte und das Wohlergehen der Arbeitskräfte. Wir sorgen uns um das Klima und das empfindliche Ökosystem unseres Planeten. Wir legen Wert darauf, Produkte mit längerer Lebensdauer zu entwickeln, die leichter zu reparieren sind. Wir achten darauf, Verschwendung zu reduzieren und das Beste aus den Materialien zu machen, die wir bereits haben.»


Das mag zunächst einmal wie eine abgegriffene Marketing-Floskel tönen, denn mittlerweile haben die meisten Unternehmen verstanden, dass es sich mit einem guten Gewissen besser konsumiert. Um zu merken, dass dies nicht nur leere Worte sind, muss man aber nicht einmal besonders genau hinsehen. Fairphone zeichnet sich durch erstaunliche Transparenz aus und macht damit Interessierten möglich, den steinigen Weg hin zu einem ethisch vertretbaren Smartphone mitzuverfolgen. Um diesem näher zu kommen, beteiligt sich Fairphone unter anderem an umfangreichen Studien zu Konfliktmineralien. Diese und die daraus abgeleiteten Strategien werden dokumentiert und publiziert. Wer mehr wissen möchte, kann hier erfahren, welches die zehn wichtigsten Materialien für die Herstellung eines Fairphones sind, wo diese gewonnen werden und was für Probleme dabei auftauchen.


Das ist von Bedeutung, weil damit eine umfassendere Geschichte erzählt wird, als bei den meisten anderen Produkten dieser Branche. Es ist eine ehrliche Geschichte, welche die Missstände und Ungleichheiten unseres globalen Wirtschaftssystems nicht ignoriert, sondern aktiv thematisiert und kritisiert. Damit wirkt Fairphone einer Konsumkultur entgegen, die geprägt ist vom Unwissen der Konsument:innen über Herstellung und Herkunft ihrer Gebrauchsgegenstände. Ein Problem, dass bei elektronischen Geräten in besonderem Mass zutage tritt: So können wir unsere Smartphones problemlos bedienen, aber auch nur fünf dafür verwendete Materialien zu benennen, sind wohl die wenigsten in der Lage.


Auch was den technischen Aufbau von elektronischen Geräten angeht, werden Konsument:innen üblicherweise völlig im Dunkeln gelassen. Wer schon einmal ein iPhone zu reparieren versucht hat, weiss, dass dies extrem viel Geduld und ein ruhiges Händchen erfordert. In diesem Punkt überzeugt das Fairphone ebenfalls: Durch die modulare Konstruktion und Zugänglichkeit der einzelnen Komponenten ist eine Reparatur geradezu einladend einfach. Im besten Fall führt die Einbindung von Konsument:innen in den Reparaturprozess und das damit einhergehende Verständnis eines Produktes auch zu einem bewussteren Umgang mit ebendiesem.


Bei allem Lob an Fairphone wirft deren Strategie auch einige Fragen auf: Denn auf der einen Seite preist das Unternehmen die Langlebigkeit seiner Produkte, auf der anderen Seite hat es in nur sieben Jahren drei Modelle auf den Markt gebracht, wobei die Produktion des ersten schon nach vier Jahren eingestellt wurde. In diesem Sinne stellt sich die Frage, ob sich Fairphone nicht doch zu sehr an der Logik des bestehenden Marktes orientiert. Wäre es nicht konsequenter sich den Maximen des immer Schnelleren und Leistungsstärkeren zu widersetzen? In einer Branche, die im Jahrestakt neue Modelle hervorbringt, wird ein langlebig konzipiertes Smartphone zwangsläufig alt aussehen.


In diesem Zusammenhang stimmt zuversichtlich, dass das Fairphone seit letztem Jahr auch Open Source Betriebssysteme von der gemeinnützigen Organisation eFoundation unterstützt. Damit macht es sich unabhängig(er) von Android Betriebssystemen, welche auf immer leistungsstärkere Hardware abgestimmt werden und damit einen langfristigen Gebrauch von älteren Geräten verhindern. Bleibt zu hoffen, dass die Pionierarbeit von Fairphone weitere Unternehmen dazu inspiriert sich der Herausforderung zu stellen, vor der steht, wer in einer Wegwerfgesellschaft langlebige Produkte etablieren will.


von Moritz Gysi



PS: Wo wir schon von Nachhaltigkeit sprechen: Der Klimastreik hat vergangenen Freitag seinen Climate Action Plan (CAP) veröffentlicht. In Zusammenarbeit mit Expert:innen verschiedenster Fachrichtungen nimmt er in einem knapp 400 Seiten umfassenden Papier die Warnungen vonseiten der Wissenschaft ernst, präsentiert Analysen, formuliert Vorschläge für Massnahmen und zwingt uns dorthin zu schauen, wo’s wehtut. Wer danach Feedback oder Kritik anbringen möchte, kann sich gerne beim Klimastreik melden, die nächste Fassung ist schon in Arbeit.


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